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Eziden - heimisch am Niederrhein

„Was glauben andere“, lautete die Frage des Blauen Salon-Gesprächs im Februar. Michael Schuck, Pfarrer im Ruhestand, kennt Osman Güden, den Vorsitzenden der ezidischen Gemeinschaft in Kalkar bereits seit 32 Jahren. Damals als Islambeauftragter des Kirchenkreises war Schuck bei der Einweihung eines Gemeinschaftshauses zugegen. „Wir wussten damals noch nicht viel über die Eziden, geschweige denn über ihr spannungsreiches Verhältnis zum Islam“, so Schuck. Nun schreibt er seit fünf Jahren an einer umfassenden Güden-Biographie und moderierte zusammen mit Güden das „Gespräch im Blauen Salon“. In den Kreisen Kleve und Wesel leben derzeit rund 5.000 Eziden.

Das Gemeinschaftshaus der Eziden in Kalkar ziert zwei Türme, ihr Aufbau ist denen in Lalish, dem heiligen Schöpfungsort der Eziden im Nordirak, nachempfunden. Die Formen sind an ezidische Glaubensinhalte entlehnt, so Schuck. Die viereckige Platte symbolisiert die vier Elemente, Sonne, Erde, Wasser und Luft, ein Siebeneck die sieben Engel, die Gott während der sieben Schöpfungstage erschaffen hat, bevor er sich zurückzog. Eine runde Platte wiederum steht für die Sonne, ein 24-faltiger Kegel für die 24 Stunden eines Tages, eine Kugel für die gesamte Erde.

Die sieben Engel sind ein erster Unterschied zum Christentum. Gott erschuf sie aus seinem Licht mit „Tausi Melek“, dem Engel-Pfau als oberstem Engel und Stellvertreter Gottes auf Erden. An Jesus, also Gott in Menschengestalt, glauben die Eziden nicht. Güden, heute Bauunternehmer, kam vor Jahrzehnten als Flüchtling nach Deutschland. „Ezide ist man alleine durch seine Geburt, ein Übertritt anderer ist nicht möglich“, erzählt er. Lange Zeit haben Eziden nur innerhalb der Gemeinschaft geheiratet. Das lockere sich gerade, so Güden. Da Deutschland in weiten Teilen eine liberale Gesellschaft sei, die den Eziden den Glauben weder wegnehmen noch vorschreiben wolle, würden sich auch die Eziden in Richtung der Deutschen öffnen können. Eziden sind sehr fleißig und müssen Geld verdienen, erzählte Güden in dem Zusammenhang. Denn die Brauteltern zahlen die komplette Hochzeit. Der Vater eines Bräutigams spendiert zum Beispiel den Schmuck und das Kleid der Braut. Sehr peinlich wäre es, wenn er es finanziell nicht könne. Die Kinder hingegen sollen sich durch die teure Hochzeit nicht verschulden müssen. Eine ezidische Hochzeit mit vielen Gästen dauert mindestens zwei bis zu acht Tagen.

Wenn die Protestanten die  Bedeutung der Bibel „sola scriptura“ hervorheben, kennen die Eziden ein vergleichbares Glaubensbuch nicht. Im Christentum wiederum unbekannt sind die „Jenseitsbrüder“ oder „Jenseitsschwestern“. Jeder Ezide bestimmt im Laufe des Lebens einen Jenseitsbruder oder eine Jenseitsschwester. Er oder sie übernimmt die rituelle Waschung vor der Beerdigung. Die Verbindung dieser beiden kann stärker sein als zu den leiblichen Brüdern und Schwestern, im Leben auf der Erde sowie im Jenseits. Die Eziden begraben ihre Frauen übrigens tiefer als die Männer. „Sie bekommen mehr Erde auf ihr Haupt als die Männer, als Respekt vor der Lebensleistung der Frauen“, erklärte Osman Güden. Auch verbeugen sich Eziden am Grab vor den Verstorbenen. Denn erst dadurch, dass diese den Gruß nicht erwidern (aufstehen) können, würden sie erkennen, dass sie tatsächlich tot sind.

Im Gemeinschaftshaus der Eziden in Kalkar am Oyweg sollen Menschen, Eziden und Deutsche eine Begegnungsstätte finden. Ein Ort zum Feiern und zum Innehalten. Eine Herberge die helfen soll, das Yezidentum, die kurdische Ursprungsreligion, zu erhalten und bewahren. Rund 80 Prozent der Yeziden am Niederrhein verfügen über die deutsche Staatsbürgerschaft und wollen die Integration weiter voranbringen. Ein weiterer Schwerpunkt des Vereins ist die Bindung zu den in der kurdischen Heimat lebenden Yeziden und die Bindung zum Heiligtum Lalish im Irak zu stärken.

Es gibt im März vor der Sommerpause noch einen Blauen Salon zum Thema „Kräuter und wie man sie haltbar machen kann“, mit Biologin und Kräuterpädagogin Gabi Habersetzer am Mittwoch, 18. März, 15 Uhr im Verwaltungsamt an der Niersstraße 1 in Goch.

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