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Kindertagesstätten unter Stress

Fachberaterin Capra: Wir brauchen Arbeitsbedingungen, die Kindern Geborgenheit und Bildung ermöglichen.

Kitafachberaterin Birthe Capra

Kirchenkreis. Wer Kinder in der Kindertagesstätte hat, merkt schnell: Das System steht unter Stress. „KiTas brauchen eine zeitnahe Anpassung der Personalkostenpauschalen“, sagt Birthe Capra, KiTa-Fachberaterin des Ev. Kirchenkreises Kleve. „Außerdem bewirken die im Kinderbildungsgesetz (KiBiz) vorgesehenen Personalschlüssel, dass ständig nur auf Lücke geplant wird. Das sind Arbeitsbedingungen, die es uns schwermachen, unseren eigenen Qualitätsansprüchen gerecht zu werden und qualifizierte und engagierte Kräfte im Job zu halten.“ Im Kirchenkreis betreiben die Evangelischen Kirchengemeinden Geldern, Goch, Issum, Kevelaer, Kleve und Xanten-Mörmter insgesamt sechs eigene Kindertagesstätten.

Die jüngst beschlossenen Tarifsteigerungen wirken sich unmittelbar auf die KiTa-Träger aus. Nach Vorgabe des KiBiz werden die Vergütungspauschalen, welche KiTa-Träger wie die Kirchengemeinden erhalten, erst 18 Monate später angepasst. In der Zwischenzeit müssen die Kirchengemeinden als Träger in Vorleistung gehen. Die nun von der NRW-Landesregierung vorgestellte Einmalhilfe von 100 Millionen Euro für freie Träger landesweit sieht die KiTa-Fachberaterin als „Tropfen auf den heißen Stein“. Die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe als Interessenvertretung der evangelischen KiTa-Träger hat ausgerechnet, dass davon in der einzelnen KiTa durchschnittlich 12.000 Euro ankommen. Landesweit würden allerdings rund 250 Millionen als Einmalhilfe allein für die evangelischen KiTas benötigt – andere freie Träger sind in ähnlicher Weise betroffen. Die Freie Wohlfahrtspflege NRW startet deswegen am Donnerstag, 19. Oktober, die Kampagne „NRW bleib sozial!“ mit einer Kundgebung vor dem Landtag in Düsseldorf. Auch der Evangelische Kirchenkreis Kleve und die Diakonie im Kirchenkreis Kleve unterstützen die Kampagne.

„Die Erzieherinnen und Erzieher in den KiTas spüren den Druck von allen Seiten“, beschreibt Birthe Capra die Lage vor Ort. „Keine Einrichtungsleiterin teilt den Eltern gerne mit, dass Betreuungszeiten gekürzt werden müssen oder, dass es zeitweise nur Notgruppen geben kann.“ Der gesetzlich vorgeschriebene Mindestpersonalschlüssel lasse den Einrichtungsleiterinnen jedoch keine andere Wahl, wenn es zum Beispiel durch Krankheit an pädagogischen Fachkräften fehlt. „Und diejenigen, die in den Einrichtungen pädagogisch arbeiten, machen ihren Job mit großer Expertise und mit Leidenschaft. Dabei stellen sie sich den Herausforderungen unserer Zeit: Inklusion und Sprachförderung, und sogar Partizipation und demokratische Bildung haben ihren Ort in der KiTa. Dafür braucht es qualifiziertes Personal und deswegen sind die Tariferhöhungen gerechtfertigt“, betont Birthe Capra. „Wenn man die Erzieherinnen und Erzieher fragt, welche Verbesserungen sie sich wünschen, dann ist das allerdings nicht prioritär mehr Geld. Vielmehr wünschen sie sich ein Arbeitsumfeld, dass es ihnen ermöglicht, den Kindern einen Ort der Geborgenheit anzubieten und Bildungsprozesse anzustoßen.“

Fehlendes pädagogisches Personal ist eine Herausforderung, die alle Träger derzeit gleichermaßen trifft. Birthe Capra: „Und unseren qualifizierten Fachkräften müssen wir gute Bedingungen anbieten, um sie in den Einrichtungen zu halten. Die Erzieherinnen und Erzieher wollen pädagogisch arbeiten und haben einen hohen Anspruch an sich und ihre Arbeit. Den können sie aber nur erfüllen, wenn die Personalplanung nicht auf Kante genäht ist. Dazu müssen die im KiBiz vorgesehenen Personalschlüssel erhöht werden.“ Unter den bestehenden Bedingungen sei es für die Beschäftigten ebenso wie für die Träger schwierig, langfristige Zukunftsplanungen zu erstellen und konzeptionell zu arbeiten. Und schließlich, so KiTa-Fachberaterin Capra, treffe die knappe Ausstattung der KiTas nicht nur diejenigen, die selbst Kinder in den Einrichtungen haben. „Sondern das spürt wohl auch jeder Arbeitskollege, der für einen verhinderten Vater im Dienst einspringt und jede Oma, die statt der Eltern das Kind auch schon einmal mittags aus der Einrichtung holt. Die KiTas unter Stress wirken sich auf unsere Gesellschaft als Ganzes aus. Deswegen sollte die öffentliche Hand auch eine auskömmliche Finanzierung gewährleisten.“

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