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Zeit des Wartens

Warten Sie auch so ungern? Freizeitforscher haben eine Statistik herausgebracht, wonach wir durchschnittlich 3,5 Monate unseres Lebens im Verkehrsstau stehen und 5 Jahre in Schlangen warten. Ich denke an die Schlangen an der Supermarkt-Kasse, beim Geldautomaten in der Sparkasse, beim Bäcker oder an der roten Ampel. Ganz zu schweigen vom Warten bei der Bahn oder beim Arzt. Immerhin wird da auf etwas sehr Wichtiges gewartet. Und nun ist Advent.

Die „Wartezeit“ auf Weihnachten. Das muss ja irgendwie ein anderes Warten sein, wenn die Geschäfte die Wartezeit so gewaltig vorverlegen und wir manchmal schon gleich nach den Sommerferien an Weihnachten erinnert werden – wenn Spekulatius und Weihnachtsmänner im September schon in den Regalen stehen. Na ja, wir verstehen, hier lohnt sich das Warten, weil dann die Kasse länger klingelt. Aber Weihnachten kann und darf doch nicht nur die Kasse klingeln – oder?

Nein, bei einigem Nachdenken fällt einem doch auch positives Warten ein: zum Beispiel, wenn man verliebt ist. Bei dem Warten am verabredeten Treffpunkt steigt schon ein besonderes Hochgefühl auf, mit dem sich das freudige Ereignis anmeldet. Noch mehr ist das bei der Schwangerschaft so. Wenn keine Komplikationen auftreten, dann ist da eine Freude, die den werdenden Vater und die schwangere Mutter verbindet und die eine eigene Qualität hat, auch schon bevor das Kind da ist, wenn der wahre Grund zur Freude sichtbar wird. Vielleicht ist das ein treffender Vergleich für das Warten in der Adventszeit: Wir warten auf die Feier der Geburt Jesu -, dass der Sohn Gottes Mensch geworden ist. Eigentlich haben die Menschen damals das ja erst Ostern gemerkt, als sie dem Auferstandenen begegnet sind.

Aber als der Glaube an die Auferstehung zum fruchtbaren Keim für das Wachstum der jungen Christenheit wurde, entstand das Weihnachtsfest als Feier der Geburt dieses Menschenkindes, das sich als Sohn Gottes erwiesen hat, auf den die Menschen so lange gewartet haben und noch warten. Den, mit dem das Reich Gottes schon jetzt beginnt, und der gerade auf die ein Auge hat, die in der Gesellschaft ganz unten stehen. Darum auch die Geburt im Stall als Kind von einfachen Leuten und der Einzug in Jerusalem auf einem einfachen Esel und ohne großen Pomp. Das ist der wahre Grund zur Freude am Weihnachtsfest. Und in der Adventszeit haben wir Zeit, uns zu besinnen, was das für uns bedeutet, dass Gott nicht im fernen, ewigen Himmel thront, sondern jedem von uns nahe sein will. In dieser Vorfreude können wir dann mitsingen, wenn es heißt: ‚Wir warten dein, o Gottes Sohn, und lieben dein Erscheinen‘. Vielleicht denken Sie auch darüber nach, worauf Sie im Advent eigentlich warten, und teilen die Vorfreude. Da stehe ich gerne Schlange. Mit den besten Wünschen auf eine besinnliche Wartezeit!

Jens Kölsch-Ricken, Pfarrer in Pfalzdorf und Nierswalde

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